Donnerstag, 28. Juni 2007
Rigoberta Menchú: Die friedliche Kämpferin für Menschenrechte
Video "PeaceJam - Rigoberta Menchu Tum" von Youtube
Leseprobe aus dem Taschenbuch "Superfrauen 3 - Politik" von Ernst Probst:
Wiesbaden (welt-der-indianer) - Guatemalas berühmteste Menschenrechtskämpferin ist die Quiché-Indianerin Rigoberta Menchú. Ihr Vater, ihre Mutter, sowie ein Teil ihrer Brüder und Freunde wurden von Soldaten ihres Heimatlandes umgebracht. Trotzdem kämpfte sie friedlich für die Menschenrechte und für die Gleichbehandlung der indianischen Bevölkerung. Dafür verlieh man ihr den Friedensnobelpreis.
Rigoberta Menchú kam am 9. Januar 1959 als sechstes von zehn Kindern auf einem kleinen Bauernhof im Hochland unweit der Stadt Chimaltenango zur Welt. Ihr Vater Vicente Menchú verdiente als Kleinbauer und Landarbeiter („Campesino“) seinen Lebensunterhalt. Wenn er saisonweise auf Kaffee-, Baumwoll- und Zuckerrohrplantangen von Großgrundbesitzern schuftete, begleitete ihn seine kinderreiche Familie.
Als Kind musste Rigoberta Menchú oft hungern und hart arbeiten. Bereits im Alter von fünf Jahren hütete sie auf Plantagen ihren zweijährigen Bruder Nicolas, während die Eltern und älteren Geschwister Baumwolle und Kaffeebohnen pflückten oder Zuckerrohr schnitten. 1967 starb ihr fünfjähriger Bruder Nicolas an Unterernährung. Damals – mit acht – pflückte Rigoberta täglich 30 Pfund Kaffeebohnen für einen Hungerlohn.
Rigoberta besuchte keine Schule und erlernte keinen Beruf. In ihrer Jugend verdingte sie sich als Dienstmädchen bei einer weißen Familie in der Stadt. Während dieser Zeit erfuhr sie die Verachtung und Unterdrückung der Indios durch die Weißen und Mestizen hautnah am eigenen Leib. Erst als 20-Jährige lernte sie durch Nonnen die spanische Sprache und mit 23 Lesen und Schreiben. Sie nahm den katholischen Glauben an und wurde Katechetin.
1979 trat Rigoberta Menchú dem 1978 von ihrem Vater mit aus der Taufe gehobenen „Comité de Unidad Campesino“ (CUC, deutsch: „Komitee für die Einheit der Bauern“) bei und begann damit, die Bauern in den Dörfern zu organisieren. Sie engagierte sich für die elementaren Menschenrechte ihrer Landsleute, für eine gerechtere Landverteilung und für politische Beteiligung der Indios. Dies brachte ihr einerseits die Anerkennung der indianischen Bevölkerung, andererseits aber die Verfolgung durch das Militär in ihrem Heimatland ein.
Am 9. September 1979 musste die Familie Menchú Tum ebenso wie alle anderen Bewohner des Hochlandes unter Androhung schärfster Vergeltungsmaßnahmen bei Nichterscheinen einer öffentlichen Bestrafung mehrerer von Soldaten gefangener und gefolterter Indios in Chajul beiwohnen. Dort angekommen, erlebte Rigoberta, wie ihr 16-jähriger Bruder Petrocino, den man als Kommunisten und Guillero verdächtigte, mit Benzin übergossen und angezündet wurde und wie er vor den Augen der ganzen Familie verbrannte.
1980 besetzte Rigoberta Menchús Vater mit Gleichgesinnten aus Protest gegen die im Land herrschende Unterdrückung die spanische Botschaft in Guatemala-Stadt. Die friedliche Besetzung endete am 31. Januar 1980 gewaltsam mit der Erstürmung der Botschaft durch das Militär. Dabei wurde das Gebäude in Brand gesetzt, und 39 Menschen starben in den Flammen. Eines der Todesopfer war Vicente Menchú. Im April 1980 wurde Rigobertas Mutter Juana von Soldaten entführt, vergewaltigt und grausam zu Tode gefoltert. Mehrere Freundinnen und Bekannte Rigoberta Menchús erlitten ebenfalls ein trauriges Schicksal.
Anlass der Greueltaten waren der Widerstand der Agrar- und Wirtschaftsoligarchie, die sich weigerte, ihre Privilegien zu teilen, sowie Ölfunde, deretwegen Großgrundbesitzer und die Armee die ortsansässigen „Campesinos“ vertrieben und bei Widerstand massakrierten. Damals überlegte Rigoberta, ob sie nicht eine Waffe in die Hand nehmen und sich den Guerillas anschließen sollte, entschied sich aber dann für die friedliche politische Arbeit.
1981 musste Rigoberta Menchú in das Nachbarland Mexiko flüchten, wo sie unter anderem als Vorsitzende der von ihrem Vater mitgegründeten Bauernvereinigung die politische Arbeit gegen das in Guatemala herrschende Regime aufnahm. Im Exil gründete sie zusammen mit anderen 1982 die „Vereinigte Vertretung der Guatemaltekischen Opposition“. In jenem Jahr wurde sie auch Mitarbeiterin der Menschenrechtskommission der „United Nations Organization“ (UNO). 1983 erschien ihr autobiographisches Buch, das 1984 unter dem Titel „Rigoberta Menchú – Leben in Guatemala“ auch in Deutschland veröffentlicht wurde. Man übersetzte das Werk in mehrere Sprachen, in Guatemala dagegen konnte man es nicht kaufen.
1986 wurde die Militärdiktatur in Guatemala offiziell durch eine demokratisch gewählte Regierung abgelöst. Der Krieg der Machthaber gegen das eigene Volk seit Beginn der 1960-er Jahre hatte über 150000 Menschen das Leben gekostet, weitere 46000 Personen – meistens Indios – sind spurlos verschwunden, mehr als eine Million Männer, Frauen und Kinder wurden vertrieben. Seit 1988 kehrte Rigoberta –trotz Todesdrohungen und Belästigungen durch die Polizei – immer wieder für kurze Zeit aus Mexiko nach Guatemala zurück.
Ab 1986 fungierte Rigoberta Menchú als Mitglied des Rates der UNO für die Rechte der Indios. 1987 nahm sie am „Nationalen Dialog“ ihres Heimatlandes teil, der das Ende des Bürgerkrieges erreichen wollte. 1990 erhielt sie den Preis der „United Nations Educational Scientific and Cultural Organization“ (UNESCO) für „Erziehung zum Frieden“ und 1992 als 33-Jährige den Friedensnobelpreis. Zu ihrer Nominierung für den Nobelpreis gratulierte ihr auch Colonel Rodríguez, der ihre Mutter ermordet hatte.
Bei der Verleihung des Friedensnobelpreises im Rathaus der norwegischen Hauptstadt Oslo wehrte sich Rigoberta Menchú dagegen, vom europäischen Publikum nur als „tapfere“ Indianerfrau mit einem harten Schicksal und einer hohen Moral präsentiert zu werden. In ihrer Rede las sie auch den Europäern die Leviten, als sie von 500 Jahren Völkermord, Verfolgung und Unterdrückung der Indianer sprach und den Begriff von der „Entdeckung Amerikas“ falsch nannte. Amerika und seine eingeborenen Zivilisationen hätten sich längst selbst entdeckt.
Die frischgebackene Nobelpreisträgerin wurde von der indianischen Bevölkerung Guatemalas begeistert gefeiert. Dagegen haben die Regierung und die Armee ihres Heimatlandes die Auszeichnung reserviert zur Kenntnis genommen. Das Preisgeld in Höhe von umgerechnet 1,8 Millionen Mark kam einer Stiftung zur Erinnerung an ihren Vater und zum Schutz der indianischen Ureinwohner Lateinamerikas zugute, die heutige „Stiftung Rigoberta Menchú Tum“. Nach der Verleihung des Friedensnobelpreises wurde Rigoberta Menchú von mehreren internationalen Staatsmännern und von Papst Johannes Paul II. empfangen .
Trotz all ihrem Leid ist Rigoberta Menchú keine verbitterte Frau geworden. Die mutige Indianerin erklärte, sie könne verzeihen, wenn es in ihrem Land politische Veränderungen gebe, „damit nie mehr eine Mutter gefoltert, ein Vater verbrannt und ein Bruder erschossen wird“. Im Frühjahr 1995 heiratete sie Angel Francisco Canil, von dem sie sich sehnlichst zwei Kinder wünschte.
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